Vor 100 Jahren brach der 1. Weltkrieg aus. Auch die Schachspieler wurden von diesem Ereignis ganz überraschend getroffen. In Mannheim hatte sich die Weltelite gerade zu einem Turnier zusammengefunden. Und plötzlich müssten die Spieler, die aus verschiedenen Nationen kamen, erkennen, dass sie auf einmal nicht nur auf dem Schachbrett sondern auch im wirklichen Leben Kriegsgegner waren. So wurde das Turnier schließlich abgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt hat vermutlich Aljechin geführt. Ganz klar ist das nicht, weil in den folgenden Kriegswirren der Zwischenstand eines Schachturniers nicht sonderlich vermerkt worden war. Auf jeden Fall hat der spätere Weltmeister die folgende bemerkenswerte Partie gegen Tarrasch gewonnen. Aljechin nutzt hier verschiedene kleine Fehleinschätzungen von Tarrasch sehr lehrreich aus.

Aljechin - Tarrasch; Mannheim, 1914

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.c3

4...De7 Normalerweise kommt 4...Sf6, um den Bauern e4 direkt anzugreifen. Der Textzug ist weniger gebräuchlich, weil die Dame auf e7 angreifbar ist. 5.d4 Lb6 Das sieht etwas inkonsequent aus. Denn eigentlich hat Schwarz doch die Dame nach e7 gezogen, damit er jetzt 5...exd4 ziehen kann und den Bauern e4 bedroht. Aber nach 6.0–0 dxc3 7.Sxc3 ist der weiße Entwicklungsvorsprung beängstigend groß. Schwarz wird vermutlich die Eröffnung nicht überleben. Deshalb will er die Stellung geschlossen halten.


6.0–0 d6 7.a4 a6 8.Le3 Lg4 9.d5 Sb8 10.a5 Lxe3 11.fxe3 Sf6 12.Sbd2 Sbd7 13.De1 Sc5 14.Db1 Aljechin hat jetzt seinen Bauern auf 24 gedeckt und wird als nächstes b4 ziehen. Dann muss der Sc5 nach d7 zurück und der Lg4 ist von seinem Heer abgeschnitten. Tarrasch musste sich also jetzt überlegen, was er mit diesem Läufer anfangen soll.

14...Lc8?! Tarrasch will seinen weißfeldrigen Läufer nicht abtauschen, vielleicht weil er befürchtet, dass die weißen Felder - vor allem f5 - schwach werden. Im Lichte der kommenden Ereignisse würde man ihm aber zu diesem Abtausch raten. Denn der Läufer wird bis zum Ende der Partie nicht mehr entwickelt werden können. 15.b4 Scd7 16.Sh4 g6 17.De1 c6 18.Shf3 cxd5 19.exd5 e4 20.Sg5 h6 21.Sh3 De5 22.Tc1

22...Sg4 Tarrasch hat gesehen, dass 22...Sxd5 nicht geht wegen 23.Sf4 S7f6 (auf f4 zu nehmen ist keine Option, weil der e-Bauer wiederschlägt und der schwarze König im Zentrum zum Angriffsobjekt wird) 24.Lxd5 Sxd5 25.Sc4 und gewinnt. 23.Sf4 g5 24.h3 Sgf6 25.Se2 Sxd5? Aber jetzt kann er sich nicht mehr zurückhalten. Die mit diesem Bauerngewinn verbundene Öffnung des Zentrums nutzt Aljechin im Folgenden geschickt aus.


26.Lxd5 Dxd5 27.Sd4 Einfach und gut wäre auch 27.Sg3 gewesen, was den Bauern sofort zurückgewinnt. Aber Aljechin legte schon nicht mehr viel Wert auf Bauern. Er will die schwarze Unterentwicklung ausnutzen. 27...De5? Das ist ganz falsch. Schwarz stand schon viel schlechter, aber nach z. B. 27...Sf8 28.Df2 Th7 29.Tcd1 Le6 hätte er wenigstens seinen Läufer entwickelt.

28.Sc4 Die Springer laufen jetzt Amok. 28...Dd5 Auf 28...De7 kommt auch 29.Sf5. 29.Sf5 Kf8 30.Sfxd6 Th7 31.Td1 Dc6 32.Td4

32...b6 In der Hoffnung, doch noch den Läufer entwickeln zu können. Aber... 33.axb6 Lb7 Denn auf 33...Sxb6 kommt 34.Sxf7 mit einer verheerenden Springergabel auf e5 am Ende. Er spielte noch 34.Sa5, dann hat es ihm gereicht. 1–0

 

 

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